|  |  | Lexikon Ägypten
 arab. Misr, Staat in N-Afrika, am Unterlauf des Nil, 1 001 449 km² (davon
      rd. 96% Wüste), 54,4 Mio. Ew.,
 Hptst. Kairo.
 Landesnatur
 Mit Ausnahme der Stromoase des Nils u. einiger Oasen ist das Land
      wüstenhaft. In der Libyschen Wüste
 (felsiges Tafelland, von Sanddünen durchzogen) hat Ä. Anteil an der
      Sahara. Östl. des Nils fällt die Arabische
 Wüste (bis 2187 m hoch) zum Roten Meer ab. Höchste Erhebung: Gebel
      Katerina, 2637 m (Sinai-Halbinsel). –
 Klima: im Sommer heiß u. trocken, Winter mild, geringe Niederschläge;
      starke Temperaturschwankungen.
 
 Bevölkerung
 Die überwiegend islam. Bev. ist sehr stark gemischt:
      überwiegend arab. Fellachen u. Beduinen, Nubier u.
 Sudanneger, im S negride christl. Kopten.
 Wirtschaft
 Das fruchtbare Kulturland nimmt nur 4% der Landfläche ein. Es gestattet
      bis zu drei Ernten im Jahr. Die
 Bewässerung u. Energieversorgung ist v. a. durch den Staudamm bei Assuan
      gesichert. Es werden bes.
 Baumwolle, die 38% des Außenhandels deckt, Getreide u. Zuckerrohr
      angebaut. Verbreitet ist noch die nomad.
 Viehzucht. Bodenschätze (Erdöl, -gas, Eisen-, Kupfererz, Phosphat)
      werden erst z. T. gefördert. - Die Industrie
 ist verstaatlicht, sie erzeugt Baumwollwaren, Nahrungs- u. Genußmittel,
      Düngemittel sowie Maschinen u.
 Fahrzeuge. - Eisenbahnen u. Straßen erschließen das Niltal bis nach
      Assuan, das Nildelta u. die
 Mittelmeerküste. Von internat. Bed. ist der Suezkanal. Internat.
      Flughäfen sind Kairo u. Alexandria.
 Seehäfen: Alexandria, Port Said u. Suez.
 
 Geschichte
 Altertum: In Ä. entwickelte sich eine der
      ältesten Hochkulturen der Menschheit. Um 3000 v. Chr. wurden
 Unter-Ä. (das Nildelta) u. Ober-Ä. (das Niltal von Kairo bis Assuan) zu
      einem Reich zusammengelegt. Etwa
 gleichzeitig wurden Schrift u. Kalender ausgebildet, wenig später die
      Steinbaukunst, Plastik u. Malerei
 entwickelt. Es bestand ein absolutes Gottkönigtum mit einer straff
      organisierten Beamtenschaft. Wichtigste
 Residenzstädte waren Memphis (bei Kairo) u. Theben (bei Luxor). Im Alten
      Reich (4. Dynastie) wurden die
 Pyramiden von Gizeh errichtet. Das Mittlere Reich unterhielt
      Handelsbeziehungen im östl. Mittelmeerraum u.
 trieb Expansionspolitik nach S u. NO. Im Neuen Reich wurde Ä. Großmacht;
      es unterwarf Palästina u. Syrien
 u. eroberte Teile des heutigen Sudan. Bedeutende Herrscher dieser Zeit,
      die auch eine kulturelle Blüte
 hervorbrachten, waren Thutmosis III. (1490–36 v. Chr.), Echnaton (1364–47)
      u. Ramses II. (1290–24). Die
 drei Zwischenzeiten u. die Spätzeit waren gekennzeichnet durch soziale
      Unruhen, Zerfall der Reichseinheit u.
 Fremdherrschaft. 332–30 v. Chr. herrschten in Ä. die grch. Ptolemäer,
      30 v. Chr.-395 n. Chr. die Römer, dann
 kam es zum Byzantin. Reich. Seit dem 4. Jh. war Ä. größtenteils christl.
 
 Mittelalter. 640/41 eroberten die Araber
      Ä., führten den Islam ein u. machten es zur Prov. des Kalifenreichs.
 Seit dem 9. Jh. war Ä. faktisch unabh. Mehrere Dynastien folgten
      aufeinander: 868–905 Tuluniden, 935–969
 Ichschididen, 969–1171 Fatimiden, 1171–1250 Ajjubiden, 1250–1517
      Mamluken. Mit der 970 gegr. Univ. Al
 Azhar in Kairo wurde Ä. ein religiöses Zentrum des Islam. 1517 wurde es
      von den Osmanen erobert. Die
 Verw. blieb in den Händen der Mamluken. Ä. sank zur Prov. des Osman.
      Reichs herab.
 
 Neuzeit. 1805 wurde der in osman. Diensten
      stehende Offizier Mohammed Ali erbl. Statthalter u. damit Begr.
 der bis 1952 regierenden Dynastie. Er brach die Macht der Mamluken u. rief
      europ. Berater u. Techniker ins
 Land. 1859–69 wurde der Suezkanal gebaut. Nach anti-europ. Unruhen
      besetzten 1882 brit. Truppen das Land,
 das formal unter osman. Oberhoheit blieb. 1914–22 war Ä. brit.
      Protektorat, danach unabh., aber weiter unter
 starkem brit. Einfluß. 1952 wurde König Faruk von Offizieren gestürzt.
      Oberst Nasser übernahm die Macht,
 seit 1954 als diktator. herrschender Präs. Er verstaatlichte 1956 den
      Suez-Kanal, was zu krieger.
 Auseinandersetzungen mit Großbrit., Frankreich u. Israel führte. Ä.
      knüpfte enge Beziehungen zur UdSSR.
 1967 erlitt es im Sechstagekrieg gegen Israel eine schwere Niederlage.
      Nassers Nachf. Sadat (1970–81)
 lockerte das diktator. Regime, wandte sich dem Westen zu, führte 1973
      gegen Israel den Oktoberkrieg, der Ä.
 einen Teilerfolg brachte u. schloß 1979 als erster arab. Staatschef
      Frieden mit Israel. Präs. Mubarak (seit
 1981) setzte die innere Liberalisierung u. die Zusammenarbeit mit dem
      Westen fort u. war gleichzeitig bemüht,
 die durch den Friedensschluß mit Israel herbeigeführte Isolierung Ä.s
      im arab. Lager zu überwinden. Nach
 sechsjähriger Amtszeit wurde Mubarak 1987 mit großer Mehrheit
      wiedergewählt.
 
 aus: Bertelsmann Universallexikon 1995
 
 
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